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Im Test: Hard West 2 (PC)

Als Hard West im Jahre 2015 durch Entwickler CreativeForge Games und Publisher Good Shepard Entertainment das Licht der Welt erblickte, entpuppte sich der Titel schnell als Geheimtipp unter Freunden von taktischer Rundenstrategie á la XCOM. Dies lag vor allem an dem interessanten und frischen Setting, welches eine ordentliche Portion kosmischen Horror zum klassischen Spagetti-Western-Feeling beisteuerte. Sieben Jahre später feiert die Serie nun ihr überraschendes Comeback mit Hard West 2 als direkte Fortsetzung. Zwar immer noch mit Publisher Good Shepherd, aber stattdessen mit Ice Code Games als neuen Entwickler. Kein leichtes Erbe liegt da ihnen auf der Schulter und ob sie die Erwartungen erfüllen konnten, erfahrt ihr wie immer bei uns im Test.

Eigentlich hätte es eine sichere Sache sein sollen. Die vier Gesetzlosen Gin, Kestrel, Flynn und Deer nähern sich auf Pferden dem fahrenden Zug, erschießen jede bewaffnete Wache und schnappen sich das wertvolle Gut. Leider haben sie aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn der Teufel höchstpersönlich fährt hier mit seinem Geisterzug durch den harten Westen. Nach einem kleinen Scharmützel mit seinen dämonischen Dienern und einer nicht ganz fair verlorenen Runde Poker, verbannt der Gehörnte nicht nur die ungebetenen Gäste aus dem Zug, sondern nimmt direkt dabei Gin und Kestrel ihre Seelen ab. Stunden später erwacht Gin im schneebedeckten Oregon wieder, ohne seinen eigenen Schatten und ohne seine Kameraden in Sichtweite. Einzig Flynn taucht kurz später darauf auf, aber beide haben keine Ahnung, wie sie in Oregon landen konnten und vor allem wieso es im Juni hier schneit. Nur mit ihren Klamotten und Revolvern am Leib, machen sich die beiden auf. Nicht nur um ihre zwei vermissten Mitstreiter zu finden, sondern auch um ihre Seelen zu retten.

Hard West 2 bietet eine Mischung aus Rundenstrategie und Rollenspiel, welches uns nicht nur in hitzige Schießereien, sondern auch vor wichtige Entscheidungen setzt. Dabei treffen wir auf etliche Charaktere, die sich uns anschließen oder einfach nur unsere Dienste benötigen. Die Geschichte des Spiels selber ist dabei in drei Kapiteln aufgeteilt, die uns durch verschiedene Gebiete des harten Westens führen und die wir frei nach Laune über eine Überweltkarte erkunden. Erinnerungen an die originalen Fallout-Ableger oder Wasteland sind da keine großen Überraschung. Hier reiten wir dann Städte an, besuchen den Saloon, das Büro des Sheriffs, stocken unsere Vorräte in Läden auf, lassen uns vom lokalen Onkel Doktor wieder zusammen flicken oder treffen den einen oder anderen Auftragsgeber. Auch abseits der großen Städte gibt es einiges zu erkunden. Fahrende Händler, verlassene Minen, hilfsbedürftige Farmer und misstrauische Ureinwohner warten auf uns mit verschiedenen Aufgaben und Geheimnissen. Hier spielt es auch meistens eine große Rolle, wie wir zu unseren Mitstreitern stehen, denn öfters gibt es sogenannte Loyalitätschecks, mit denen wir in bestimmten Situationen uns auf ein Mitglied unserer Truppe verlassen können. So finden wir zum Beispiel einen mysteriösen alten Baum, an dessen Krone sich ein wertvoller Gegenstand befindet. Der Hacken an der ganzen Sache? Er ist verflucht, denn jeder, der ihn erklimmen will, altert in wahnsinniger Geschwindigkeit. Wollen wir also an den Gegenstand selber heran, müssen wir entweder unsere eigene Gesundheit opfern oder Flynn kann uns mit ihren eigenen übernatürlichen Kräften helfen. Vorausgesetzt, sie ist uns gegenüber besonnen eingestellt. Damit wir zu unserem Team erstmal einen guten Draht aufbauen können, müssen wir uns nämlich meistens in Dialogen auf ihre Seite schlagen. Keine Sorge, nur weil wir uns für Person X starkmachen, mag uns Person Y deswegen nicht weniger. Abseits von Dialogen, schaltet eine höhere Loyalität aber auch Perks frei, die wir in den Kämpfen gut gebrauchen. Denn statt klassischem XP-Sammeln und Stufenaufstiegen, schalten wir Perks und auch neue Fähigkeiten durch die Kraft der Freundschaft und Spielkarten frei. Richtig gehört, Hard West 2 bietet auch noch Deckbuilding-Mechaniken, die nach dem Pokern Regelwerk funktionieren. So hat jeder Charakter Platz für bis zu fünf Pokerkarten, die in Kombination zu verschiedenen Vorteilen führen. Ein Royal Flush schaltet z.B. einen anderen Perk frei, als ein Full House. Das führt natürlich auch dazu, dass ihr nie mit jedem Charakter alles gleichzeitig freischalten könnt, da es einfach zu viele Kombinationen gibt. Hier ist es dann wichtig, schnell den richtigen Build für den passenden Mitstreiter zu finden. Nehmen wir so zum Beispiel die Fährtenleserin Cla’lish, die sich uns im Verlauf unserer Reise anschließt. Sie verfügt von Haus aus über einen recht hohen Glückswert, was in den Kämpfen dazu dient, um die Treffwahrscheinlichkeit auszugleichen. Selbst wenn der Schuss also nur eine 50% Wahrscheinlichkeit hat, kann genug Glück dies ausgleichen und damit die Kugel trotzdem sicher ins Ziel bringen. Somit ist Cla’lish von Natur aus eine gute Fernkämpferin, die eher selten ihre Ziele verfehlt. Wollen wir sie also in der Richtung noch besser machen, lohnt sich ein Blick auf ihre noch verschlossenen Perks, die wir mit den passenden Pokerkarten entfesseln können. Ein passiver Bonus auf Gewehre durch einen Drilling wäre da schon ein Muss für unseren angestrebten Build. Am Ende liegt es euch komplett offen, wie ihr die verschiedenen Charaktere spezialisieren wollt, da man alles zwischen den Missionen austauschen kann und nichts für die Ewigkeit ist.

Im Mittelpunkt des Spiels stehen dabei natürlich die Kämpfe. Wann diese stattfinden, wird dabei immer fest von der Missionstruktur bestimmt. Zufällige Begegnungen in der Wildnis oder in einer sonstigen Form gibt es nicht und das Spiel selber warnt einen sogar immer vor, sobald der nächste Dialog zu einer direkten Auseinandersetzung führt. Diese verlaufen dann, wie bereits erwähnt, komplett turn-based ab. Heißt wir bewegen unsere Kämpfer für Zug um Zug über das Spielfeld und nutzen dabei die drei Aktionspunkte, die jedem zur Verfügung stehen. Klingt erstmal relativ wenig und das ist es im Grunde auch. Je nach Radius kann eine Bewegung von A nach B nur einen oder gar alle drei Punkte kosten. Schießen wir mit dem Revolver, sind zwei Aktionspunkte weg, nehmen wir stattdessen ein Gewehr, sind es schon alle drei, was unsere Mobilität in der Runde quasi komplett einschränkt. Fähigkeiten, das Nutzen von Verbrauchsgegenständen, wie Dynamit, Whiskey oder Bandagen, alles reizt unseren Vorrat an Aktionspunkten relativ schnell aus. Damit wir uns aber nicht immer nur mit Babyschritten in jeder Runde zufriedengeben müssen, gibt es das sogenannte Bravado. Dies füllt auf der Stelle alle verbrauchten Aktionspunkte auf, ohne dass eine Runde zu Ende gehen muss. Damit unsere Kämpfer diese kostenlose Erfrischung erhalten, müssen sie aber erstmal dafür einen Gegner unter die Erde bringen. Einer der Vorteile von Bravado ist aber auch, dass es keinen Cooldown hat. Wir können also Züge um Züge aneinanderketten, solange immer wieder für Kills gesorgt wird. Ein riesiger Vorteil und der Schlüssel zum Erfolg, denn die Entwickler gleichen dies nicht selten mal mit einer feindlichen Übermacht aus. So sehen wir uns meistens zahlenmäßig deutlich unterlegen und müssen deswegen jeden Zug und jede Runde gut überlegt ausspielen. Dabei treffen wir auf typische Banditen, einen okkulten Ureinwohnerstamm und noch ganz andere Schrecken, die durch die Prärien des Westens streifen. Gerade die unnatürlichen Begegnungen reizen dabei den Schwierigkeitsgrad aus und können sogar das generelle Balancing des Spiels in Frage stellen. So verfügt der Shadow Dance Clan über sogenannte Blackheart Schamanen, die eine nicht so nette Fähigkeit mit ins Feld führen, die euch nicht selten zum hastigen Neuladen eures letzten Spielstands zwingen kann. Um was es dabei genau geht? Stellt euch vor, ihr habt den Schamanen fast erledigt, nur noch ein Schuss aus dem Revolver in der nächsten Runde und er sackt endlich zusammen. Doch statt euch anzugreifen oder das Weite zu suchen, saugt er eurem Mitstreiter einfach fast seine komplette Gesundheit ab und heilt sich damit vollständig selbst. 100% seiner HP einfach wieder da, egal ob das Opfer selber überhaupt seine vollständige Gesundheit hatte oder nicht. Dazu kommt auch noch, dass die Fähigkeit selber einen sehr kurzen Cooldown hat, höchstens nach einer Runde kann er dasselbe Spiel wieder mit euch spielen. Und die Reichweite? Sichtkontakt reicht völlig aus und ihr seid dran. Das kann schnell dazu führen, dass eigentlich sichere Taktiken innerhalb von wenigen Runden komplett gegen die Wand gefahren werden und das ist am Ende noch nicht einmal eure Schuld. Eure Schuld ist es aber hingegen, wenn ihr eure Kämpfer nicht hinter Deckungen verschanzen lässt. Die gibt es nämlich in den verschiedenen Leveln mehr als reichlich, was nicht selten an das typische Gears of War Level-Design erinnert. Große Deckungen, hüfthohe Deckungen, dynamische Deckungen, wie umgeworfene Tische, geöffnete Kisten oder bestellte Lastenzüge, quasi alles was das Herz und die eigene Sicherheit begehrt. Die Gegenseite nutzt dies natürlich auch für ihren Vorteil und damit nicht jeder nur hinter seiner Deckung sicher sitzt und abwartet, gibt es die sogenannten Trickshots aka Querschläger. Heißt wir nutzen meist metallische Oberflächen, die wir in den Umgebungen vorfinden, wie z.B. das Namensschild eines Geschäfts oder den Amboss eines Hufschmieds, um die abgefeuerte Kugel daran zu rikoschettieren und somit die Deckung zu umgehen.

Optisch reißt Hard West 2 als Rundenstrategie-Titel mit seiner isometrischen Perspektive keine Bäume raus, vor allem wenn man es mit einem XCOM 2 vergleicht, welches selber mittlerweile seine sechs Jahre auf dem Buckel hat. Trotzdem wirkt der Titel deswegen nicht automatisch hässlich, nur eben angestaubt. Gerade das erste Kapitel im verschneiten Oregon ist einigermaßen atmosphärisch in Szene gesetzt und auch die restliche Präsentation ist grundsolide und macht ihren Job. Nur solltet ihr keine großartigen Zwischensequenzen erwarten, denn das meiste wird über teils gut vertonte Dialoge und Standbildern erzählt. Spannender ist da schon der Soundtrack aus der Feder von Komponisten Jason Graves, dessen Arbeiten ihr sicherlich schon öfters gehört habt. Tomb Raider, Dead Space, The Order: 1886, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Graves untermalt hier gekonnt die verschiedenen Themen des Spiels und liefert einen interessanten Twist auf die klassischen Klänge, die man eben von einem guten Western erwarten würde.

Fazit
Mit Hard West 2 erhalten Genre-Freunde ein mehr als solides Rundenstrategie-Fest, welches euch ca. zwanzig bis dreißig Stunden bei der Stange halten wird, während ihr herausfordernde Duelle meistert und spannende Entscheidungen fallen müsst. Wirklich viel meckern kann ich abseits davon auch nicht. Klar, das angesprochene Balancing Problem ist vorhanden und könnte manche Spieler schnell nerven, falls dies nicht in der Zukunft noch von den Entwicklern ausgebessert wird. Dazu kommt die optische Präsentation, die im Jahre 2022 dann doch etwas stark verstaubt, aber ehrlich gesagt von den anderen Qualitäten auch deutlich überstrahlt wird. Somit bleibt mir nichts anderes übrig, als für Hard West 2 eine klare Empfehlung auszusprechen und hoffentlich dauert es nicht wieder so lange, bis wir erneut in Richtung harten Westen reiten dürfen.

Hard West 2 ist seit dem 4. August für PC via Steam und GOG erhältlich.

(getestet von para)

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