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Im Test: Atomic Heart (PS4, PS5, XBOX, PC)

Nach langen Jahren der Entwicklung ist es nun so weit: Das russische Studio Mundfish veröffentlicht gemeinsam mit Publisher Focus Entertainment ihr lang erwartetes Debüt in Form des First-Person Shooters Atomic Heart, welches den Spieler in eine alternative Realität versetzt, in der die Sowjetunion in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen wissenschaftlichen Quantensprung hinlegte und somit zur technologischen Weltmacht aufstieg. Wir durften den Titel ausführlich testen und verraten euch im Test, ob der Hype der letzten Jahre berechtigt war oder wir es hier eher mit zu viel heißer Luft zu tun haben.

Eigentlich sollte es ein Tag zum Feiern für die fliegende Stadt von Chelomey werden, doch als die hochmodernen Arbeitsroboter ein Blutbad in der Forschungsanlage 3826 anrichten, steuert die ganze Sowjetunion auf eine hausgemachte Katastrophe zu. Bevor es aber so weit kommen kann, schickt der als Volksheld gefeierte Wissenschaftler Dr. Sechennov seinen besten Agenten Major P-3 in die besagte Anlage, um so schnell wie möglich die Rebellion der Maschinen niederzuschlagen und den Schuldigen für das ganze Schlamassel zu verhaften. Und das am besten alles, bevor das Politbüro in Moskau oder sogar die ganze Welt davon Wind bekommt.

In Atomic Heart schlüpfen wir in die Rolle von Major P-3, einem Veteranen des Zweiten Weltkriegs mit einer geheimnisvollen Vergangenheit, der auf seiner Mission von dem hochtechnologischen Handschuh namens CHAR-LES begleitet wird. Beide sind überraschend gesprächig während des gesamten Spiels, was für eine Reihe an fragwürdigen Dialogen führt, die teilweise stark im Kontrast zur eigentlich düsteren und ernsten Atmosphäre stehen. Wer sich schon immer gefragt hat, wieso manche Leute einen stillen Protagonisten bevorzugen, wird dies nach Atomic Heart wahrscheinlich besser nachvollziehen können. Weniger überraschend ist da die Wehrhaftigkeit unseres Helden, der sich mit verschiedenen Nah-, Fernkampfwaffen und sogar speziellen Handschuh-Fähigkeiten allerlei Roboter und Mutanten vom Leib hält. Hier wird dann auch der ständige Vergleich zu Bioshock am deutlichsten, da der Flow des Kampfsystems relativ nah an den Titeln von Irrational Games herankommt. Wir tänzeln im Nahkampf um unsere Feinde, dashen zur Seite bei Angriffen, falls genug Munition vorhanden ist (was anfangs noch eher ein Problem ist als später) nutzen wir eine überschaubare Sammlung an Projektil- und Energiewaffen und mit dem Handschuh lassen sich vor allem größere Gruppen meistens für einen kurzen Moment außer Gefecht setzen. Diese sind nämlich mehr auf das klassische Crowd-Control-Prinzip ausgelegt, gerade wenn sie dann auch noch von uns verbessert werden. Dies passiert im Spiel an einem speziellen Automaten namens NORA, die uns auch gleichzeitig als Tresor und Crafting Station dient. Hier können wir neue Munition und Heilgegenstände herstellen, verbessern unsere Axt und Kalaschnikow oder erweitern wie gesagt die jeweiligen experimentellen Fähigkeiten. Dafür brauchen wir Ressourcen, die wir von erledigten Gegner oder auch einfach beim „Aussaugen“ (CHAR-LES hat paar interessante Talente) von Kisten, Containern, Regalen usw. erhalten. Ja, wer das ständige Looten bei anderen Open World Shootern mit Crafting-Gameplay-Elementen, wie z.B. in den letzten Far Cry-Ablegern, liebt, wird hier sein Paradies finden. Das ganze System an sich ist aber völlig okay und überschaubar. Die Fähigkeiten und Waffen Upgrades haben größtenteils ihren Nutzen und wer nicht unbedingt alles aufs Maximum bringen will, kann auch die eine oder andere Kisten links liegen lassen. Allgemein wird Atomic Heart nach dem Survival Horror-artigen Anfang relativ schnell leichter. Nämlich so sehr, dass ich eigentlich spätestens ab der zweiten Hälfte mit keinem Gegner großartige Schwierigkeiten hatte und selbst bei größeren Massen, die einem gerne mal gegen Ende vor die Flinte geworfen und dann auch noch mit Mini-Bossen kombiniert werden, kam P-3 nicht mehr ansatzweise ins Schwitzen. Ähnlich sieht es bei den wirklichen Bosskämpfen aus, von denen in Atomic Heart eine Handvoll auf den Spieler warten. Dies sind in erster Linie Gefechte gegen deutlich größere Maschinen, die in weitläufigen Arenen gegen uns antreten. Hier müssen wir dann so oft wie möglich ausweichen, um dann die jeweiligen Schwachstellen auszunutzen. Welche das sind, wird uns entweder vom Spiel relativ offensichtlich visuell dargestellt oder wir müssen ihn kurz mit CHAR-LES scannen, um alle wichtigen Informationen zu bekommen.

Während wir in den ersten Stunden von Atomic Heart uns in einer einzelnen Forschungsanlage durchkämpfen müssen, öffnet sich das Spiel kurz darauf und entlässt uns in die „Open World“. In Anführungszeichen, denn eigentlich handelt es sich hier mehr um einen etwas offenen Schlauch, der uns zwar hier und da ein paar Orte zum erkunden zur Verfügung stellt, aber schon mehr einen direkten Weg vorgibt. Die Nebenschauplätze dienen dabei meistens dazu unseren Vorrat an Ressourcen aufzustocken, aber auch befinden sich hier meistens die Zugänge zu den verschiedenen Dungeons, die komplett optional sind. In diesen verdienen wir uns so gut wie alles an Waffen Upgrades, in dem wir meistens Puzzle-artige Herausforderungen hinter uns lassen müssen. Statt dem ständigen Geballer, wird hier nämlich eher der Hirnschmalz von P-3 gefordert. So müssen wir mal mit dem Ausrichten von Magneten und Plattformen von Punkt A nach B uns bewegen, mit Energiekugeln wieder Maschinen in Betrieb nehmen oder Abgründe via Klettereinlagen überwinden. All das erreicht zwar nicht das Niveau eines wirklichen Puzzlespiels, dient aber als nette Abwechslung zum sonstigen Gameplay-Loop. Wo wir wieder zurück zur offenen Welt von Atomic Heart kommen, denn was mich persönlich auch überrascht hat, war der ständige Druck, der auf dem Spieler liegt. Statt nämlich einfach nur alles zu erkunden und dabei sorglos jede Blechbüchse auseinander nehmen zu können, repariert das automatische Sicherheitssystem der Anlage ständig die meisten Maschinen von sich aus. Das heißt, sobald wir mit einer Gruppe fertig sind, können wir fast schon direkt im Anschluss die kleinen fliegenden Hilfsdrohnen in der Ferne hören, die ihre zertrümmerten Kollegen kurz darauf wieder auf die Beine helfen, und zwar immer und immer wieder. Ein weiterer Faktor, der uns auch noch auf die Pelle rückt, ist das Alarmsystem. Überall in 3826 befinden sich Kameras, die zwar kein großes Sichtfeld haben, dafür uns aber schnell verpfeifen. Sehen sie uns zu lange, gehen sie auf Stufe 1 und rufen alle lokalen Maschinen zu unserer Position. Sieht uns die Kamera aber auch noch dabei, wie wir uns erfolgreich wehren, schaltet es direkt auf die zweite Stufe und fordert damit noch weitere Unterstützung an, die frisch von der Fabrik abgeworfen wird. Zwar lässt sich auf Umwege das komplette System für ein bestimmtes Gebiet abschalten, aber auch dies wird nach einer Zeit wieder repariert. Wer also hier an Ort und Stelle bleibt und gegen die Roboter kämpfen will, sieht sich am Ende gegen eine ewig neu spawnenden Masse gegenüber, die dann eigentlich mehr Ressourcen schluckt, als sie wirklich bringt. Und nein, auch Kameras zerstören, wie in anderen Spielen, bringt da nicht viel, denn diese werden natürlich auch wieder kurz darauf instand gesetzt. Egal, wie oft wir sie auch zerstören. Somit empfiehlt es sich, in den offenen Gebieten die größeren Straßen eher zu meiden und nicht zu lange an einem Ort zu verweilen, gerade wenn man die Aufmerksamkeit der Maschine hat.

Das ist in der Form schade, denn wenn ich eins über das Spiel sagen kann, dann, dass es technisch absolut eindrucksvoll aussieht, aber auch im Art-Design komplett überzeugen kann. Nicht nur haben wir es hier mit einem Titel zu tun, der nochmal alles aus der Unreal Engine 4 herausholt, was wahrscheinlich herauszuholen geht, sondern eben auch was die Kreativität angeht, bringt Atomic Heart eine lang erwartete Frische in den Videospielalltag. Egal welches Konzept uns Mundfish in den letzten Jahren irgendwie in Teasern und Trailern zum Spiel gezeigt hat, sie sind im Spiel enthalten. Egal, wie komisch und unfreiwillig komisch sie vielleicht auch gewirkt haben. Gerade eine spezielle Szene, die mir nach ca. 15 Stunden meines Durchgangs präsentiert wurde, hat mich beeindruckt und überrascht, da ich den Entwicklern so viel Mut zur surrealen Darstellung bis dahin gar nicht zugetraut habe.

Da ist es aber schon fast ein Wunder, dass dann gerade das Writing so abfällt. Vor allem, wenn es dann um unseren Protagonisten Major P-3 geht, der auf vielen Ebenen so streng eindimensional und fast schon strohdumm wirkt. Nicht nur kommentiert er vieles komplett unpassend, sondern findet auch keine wirkliche Charakterentwicklung bei ihm statt, obwohl eigentlich ständig Sachen im Verlauf der Geschichte passieren, die bei jedem Fragen aufwerfen sollten. Vielleicht ist es ein Kommentar der Entwicklung, zur bedingungslosen Gehorsamkeit eines Werkzeuges des Staats, der eigentlich nur wie ein Roboter funktioniert, aber auch dies hätte man dem Spieler effektiver und besser vermitteln können. Abseits von der Präsentation des Spiels, zeigt es auf der Seite des Audios auch einige Stärken. Gerade der Soundtrack, der ein kollektives Projekt von verschiedenen Komponisten, Musikern und Producern ist, kann auf den meisten Ebenen überzeugen. Da hätten wir u.a. russische Künstler wie Boogrov, DVRST, Mujuice aus der Türkei, den Amerikaner GeoffPlaysGuitar, den Vocalist Alex Terrible von der russischen Deathcore Band Slaughter to Prevail (die mittlerweile durch den Ukrainekrieg komplett nach Amerika gezogen sind) und natürlich den mittlerweile legendären Komponisten Mick Gordon. Während Gordon in erster Linie eigene Songs für den Soundtrack komponiert hat, fokussiert sich die Arbeit der anderen genannten Musiker mehr auf Remixe von beliebten russischen Volksliedern, Pop- und Rocksongs (wie z.B. Trava U Doma von Zemlyana oder Arlekino/Harlekino von Alla Pugacheva), die größtenteils mit Techno, Djent und Dubstep einen neuen Anstrich bekommen haben, um so besser in die alternative Realität von Atomic Heart zu passen. Manchmal etwas kitschig, eigentlich sogar sehr kitschig, aber auch treibend und sehr passend zum Spiel.

Fazit
Nach all den Jahren und den fragwürdigen Umständen um den Titel und den Entwicklern ist es nun also endlich so weit, Atomic Heart ist fertig und befindet sich durchgespielt auf meiner Festplatte. Ich persönlich habe den Titel seit eigentlich den ersten Teasern interessiert und begeistert verfolgt, wenn auch skeptisch. Schließlich wirkte das Spiel immer recht überambitioniert und Mundfish als komplett neues Studio hatte eben absolut keine Kredibilität, um dies alles irgendwie zu untermauern. Die fragwürdige Pre-Order Aktion vor etlichen Jahren sorgte da nicht gerade für mehr Vertrauen und über die weiteren Kontroversen rund um das Team und Atomic Heart sollte man sicherlich offen mit umgehen. Trotzdem geht es hier jedoch in erster Linie um das fertige Endprodukt eines Videospiels und da muss ich ganz klar sagen, dass Mundfish hier nicht zu viel versprochen hat. Vieles was wir in all den Jahren zu Gesicht bekommen haben, ist im Großen und Ganzen im Spiel enthalten und funktioniert. Das Gameplay an sich ist auch völlig in Ordnung, fällt aber leider im Gegensatz zur audiovisuellen Präsentation etwas ab, da es eben nicht wirklich etwas Eigenes bietet, sondern sich mehr auf Tugenden gewisser Vorbilder verlässt, die in der Mixtur mit etwas zu viel Ballast daher kommen. Somit ist Atomic Heart in meinem Buch ein Spiel mit viel Licht und Schatten, welches mich aber im Endeffekt mehr positiv als negativ überrascht hat.

Atomic Heart ist seit dem 21. Februar für PC, Playstation und Xbox Konsolen erhältlich. Getestet wurde die PC-Version.

(getestet von Para)

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