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A MAZE 2019 – Unser Festival-Bericht

Wir hatten zum ersten Mal die Gelegenheit das A MAZE Festival zu besuchen, eine internationale Messe für Games und interaktive Medien. Im Herzen der Hauptstadt nahmen wir an zahlreichen Vorträgen Teil, erkundeten die Welt der digitalen Kunst und besuchten die Independent Publisher Devolver Digital und ARTE für ihre neusten Veröffentlichungen. In unserem Artikel berichten wir über unsere Eindrücke.


Der erste Eindruck schreit nach Berlin. Die Veranstaltung fand im SEZ statt, einem Sport- und Erholungszentrum der ehemaligen DDR, das seine Wurzeln nie aufgegeben hat, Erholung aber mittlerweile umfassender definiert. Auf den Außenwänden überlagern sich mehrfach Plakate und Graffitis, und auch das Innenleben reizt mit dem Berliner Chic: minimalistischer Dekor, ein Mobiliar aus Plastikkisten, Holzplanken und Bauzäunen, grelle, farbenfrohe Flutlichter – funktionelle Extravaganz.

Die Überraschung traf mich aber an anderer Stelle. Ich erwartete eine klassische Videospielmesse, eine Miniatur-GamesCom, wenn man so will. Die A MAZE war anders.

Nachdem ich mich in diesem Labyrinth aus herrenlosen Ständen und obskuren Konstrukten akklimatisierte, traute ich mich an den ersten unscheinbaren PC. Auf das Wesentliche reduziert, erklärte mir das Spiel seine Regeln schwarz auf weiß: Sag die Wahrheit, wenn du lügen sollst. Lüge, wenn du nach der Wahrheit gefragt wirst. „SAG DIE WAHRHEIT – Dostoyevski ist ein russischer Romanautor. – WAHR/FALSCH“. Einige stressvolle Gehirnverrenkungen später beendete ich das Spiel mit einem enttäuschenden Score, aber einer lehrreichen Erfahrung. „To Call A Horse A Deer“ ist nicht nur der Titel des Spiels, sondern eine invertierte chinesische Redewendung für die vorsätzliche Lüge. Und vielmehr als ein Quiz ist dieses experimentelle Digitalwerk ein Denkanstoß für die verbogene Realität, der wir tagtäglich in einem politischen Klima ausgesetzt sind, aber auch für die Lüge, die wir selbst billigen und bewusst verbreiten.

Das war lediglich der Beginn einer Reise, die mich von einer interessanten Erfahrung zur nächsten führte. Ich kommunizierte in der virtuellen Realität mit anderen Mitspielern allein durch Gesten, entdeckte die trügerische Wirkung der Perspektive, löste Rätsel in einem reinen Audio-Spiel und schrieb Gedichte mit Bildern. Die A MAZE will sich nicht darauf beschränken, aber sie entspringt augenscheinlich der digitalen Kunst. In einer Zeit, in der sich große Publisher von Politik distanzieren, ist die A MAZE politisch, und während in der Branche diskutiert wird, ob Videospiele überhaupt Kunst seien, fragt man sich hier eher, wie viel Videospiel in der Kunst steckt und wirbt mit „playful media“.

Als jemand, der mit digitaler Kunst bis jetzt wenig in Berührung gekommen ist, wurde mir aber eins klar: Die Digitalkunst und das Videospiel nähern sich mit großen Schritten an und die A MAZE stellt bereits den Treffpunkt. Dabei suchen klassische Künstler aus oftmals videospielfremden Bereichen wie der bildenden Kunst, der Fernsehmedien, des Theaters und der Oper und auch modernen non-digitalen Medien wie dem Improtheater oder Live Escape Games, neuerdings fundamentale Unterstützung aus der Videospielwelt. Auf der anderen Seite wachsen bei vielen Entwicklerstudios die Ambitionen und große Regisseure und Schauspieler greifen bei hochbudgetierten Projekten unter die Arme, während Indie Games mit experimentellen Konzepten und artistischem Erkundungsdrang die Grenzen des Mediums verschieben.

Devolver Digital / ARTE – Round-Up

Zwei Publisher auf der A MAZE haben sich Letzterem verschrieben. Wir besuchten den renommierten und etablierten Independent Publisher Devolver Digital und den in der Gamingbranche noch recht unbekannten Publisher und populären Rundfunkveranstalter ARTE.

ARTE ist bekannt für seinen gehobenen Anspruch in Film und Fernsehen. Wer aber von dem deutsch-französischen Sender lediglich schwarz-weiße Kunstfilme und Weltkriegsdokus erwartet, der sollte sich einen neugierigen Blick auf das sehr abwechslungsreiche Angebot erhaschen, das mittlerweile auch Videospiele abdeckt.

Den Wurzeln anspruchsvoller Unterhaltung bleibt man sich treu, ARTE erobert aber langsam mit selbst-produzierten Titeln eine herrenlose Nische. Ein gelungenes Beispiel ist dafür Type:Rider. Als Puzzle-Platformer hüpft und rätselt man sich in typographischen Szenarien von Höhlenmalereien zu Comics Sans. Das Videospiel steht hier an erster Stelle, weckt aber auf unaufdringliche Weise unser Interesse für die ungewöhnlichen Hintergründe.

Ein anderes, noch unveröffentlichtes Spiel von ARTE entführt uns in eine Zeitschleife. Unsere Aufgabe ist es mit Hilfe von Manipulationen des Radios politische Propaganda zu verbreiten. Dafür zeichnen wir einzelne Aussagen eines Sender auf und unterbrechen damit die Radiosendungen anderer Stationen. Daraus entwickelt sich nicht nur eine ungewöhnliche non-lineare Geschichte, sondern auch ein originelles Puzzle-Spiel, das uns die Macht der Information präsentiert, wie Nachrichten und Fakten verbogen und der eigenen Agenda angepasst werden. Der progressive Clou des Spiels: Das ganze Game ist rein audio-basiert und lässt sich selbst komplett blind genießen. Eine willkommene Barrierefreiheit.

Es lohnt sich ARTEs Angebot zu beobachten. Es trotzt den Vorurteilen des digitalen Lernspiels und überzeugt mit kompetenten klassischen Videospielen, die den Horizont des Mediums auf oftmals subtile Weise erweitern. Wir sind gespannt, wohin dieser Weg noch führen wird.

Devolver Digital hingegen hat seinen Weg schon längst gefunden. Und wir bewegen uns liebend gern auf diesen Spuren. Ob actiongeladene hyper-stilisierte Gewaltorgien wie My Friend Pedro und Katana Zero oder politisch-fortschrittliche Strategietitel wie Weedcraft Inc. oder der Partykracher Heave Ho. Devolver setzt auf kleine Titel größer Qualität.

Auf der A MAZE durften wir auch einen ersten Blick auf das frisch angekündigte Metroidvania, sorry, Catroidvania, Gato Roboto werfen. Der Wortwitz hat es eigentlich schon verraten. Gat Roboto zählt sich zu den spirituellen Nachfahren vom NES-Klassiker Metroid. Wir erkunden eine verschachtelte, fremdartige 2D-Welt und entledigen uns aggressiver Widersacher. Dabei spielen wir ein süßes Kätzchen in einem überdimensionierten Mechsuit. Als Genrefan und Katzenfreund hatte mich das Spiel sofort. Die erste halbe Stunde strotzte vor Witz, knackigen Kämpfen und cleveren Leveldesign. Wir halten die Augen offen.

My Friend Pedro geht in eine komplett andere Richtung, ist aber nicht weniger verrückt. Die harten Electrobeats erinnern direkt an Hotline Miami aus demselben Haus und die Gewalt setzt die Gemeinsamkeiten fort. In My Friend Pedro ballern wir uns in einem Ballett aus Pirouetten und Hechtsprüngen durch Mafiaschergen, während unser neu gewonnener Freund Pedro, eine fliegende Banane(!), das Geschehen kommentiert. Stylische Non-Stop-Action ist hier vorprogrammiert und wir freuen uns bereits auf nahenden Release mit mehr abgedrehten Szenen und einer motivierenden Highscorejagd.

Eine unerwartete Erfahrung
Die A MAZE war tatsächlich eine Art Labyrinth der interaktiven Medien. An jeder Ecke verläuft man sich in eine neue Erfahrung, in abstrakte Kunstprojekte, in interaktive VR-Filme und Escape Games, in improvisierte, digitale Theaterstücke und natürlich auch in das ein oder andere klassische Videospiel. Dabei bewegen sich die bildlichen Blasen der einzelnen Bereiche zu- und ineinander. Opernregisseure suchen Videospielentwickler, Entwicklerstudios suchen Inspirationen in der Filmwelt, Maler lernen Programmiersprachen und unterschiedliche Medien fließen zusammen. Die A MAZE bietet hierbei den Schauplatz für all diese Entwicklungen und fördert den Austausch und den Blick über den Tellerrand. Wir freuen uns bereits auf die nächsten Schritte zum Zentrum des Irrgartens auf der kommenden A MAZE.

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